Nachhaltigere Antriebslösungen sind angesichts der Energiewende auch in der Schifffahrt gefragt. Wir haben für einen Hybridantrieb auf dem Planierschiff Chicago im Hamburger Hafen zwei Elektromotoren beigesteuert.
Insbesondere in Hafenzonen und sensiblen Küstenregionen wird mehr und mehr Wert auf emissions- und geräuscharme Antriebe gelegt. Hybridlösungen aus konventionellen Dieselmotoren und modernen Elektromotoren ermöglichen einen kraftvollen Antrieb bei effizientem Wirkungsgrad und geringerer Umwelt- und Lärmbelastung. Worauf es bei der Elektromotorenauslegung für eine solche Hybridlösung ankommt, zeigt unser gemeinsames Kundenprojekt „Chicago“ mit dem Getriebe-Spezialisten Reintjes.
Die Chicago ist ein Planierschiff, das Sedimente in bestimmten Hafenbereichen so verschiebt, dass sie von Saugbaggern besser erreicht und aufgenommen werden können. Sie verfügt über zwei Wellenstränge mit je einem Dieselmotor als Hauptantrieb und je einem E-Motor für den emissionsarmen Teilbetrieb. Der elektrische Antrieb wird genutzt, um das Schiff geräusch- und emissionsarm durch den Hafen zum jeweiligen Einsatzort zu bewegen. Dort wird auf den Hauptantrieb umgeschaltet, um die Planierarbeiten durchzuführen. Für die volle Manövrierfähigkeit stehen auch im reinen Elektro-Modus beide Propeller zur Verfügung. Durch die Redundanz ist es möglich, nur einen Wellenstrang zu nutzen, sollte ein Propeller einmal ausfallen.
Für das gesamte Hybridsystem verantwortlich zeichnet die Reintjes GmbH, die große Erfahrung in der Herstellung maritimer Getriebe hat. Eine besondere Herausforderung bei Hybridlösungen ist der reibungslose Wechsel zwischen den verschiedenen Fahrmodi. Das Umschalten von Elektro- auf Dieselbetrieb kann beispielsweise über die Fahrhebelstellung erfolgen: Wenn der Fahrhebel leicht bewegt wird, fährt das Boot elektrisch, und wenn eine bestimmte Hebelstellung überschritten wird, kommt der Dieselmotor hinzu. Alternativ kann auch die Umstellung per Knopfdruck ausgelöst werden, wie es bei der Chicago der Fall ist: Wenn der Fahrhebel auf „Neutral“ steht, kann per Knopfdruck in den elektrischen Betrieb gewechselt werden, der dann ebenfalls über den Fahrhebel gesteuert wird. Dies kann auch mitten im Betrieb und bei noch drehendem Propeller erfolgen.
Wassergekühlter E-Motor mit hoher Nennleistung
Welche Anforderungen ergaben sich bei diesen Ausgangsbedingungen für die Elektromotoren? Der elektrische Antrieb sollte zum einen die rein elektrische Fahrt mit bis zu sechs Knoten Geschwindigkeit ermöglichen sowie zum anderen Strom während der Nutzung der Dieselmotoren erzeugen, um die Batterien wieder aufzuladen. Reintjes benötigte hierfür gewichtsoptimierte wassergekühlte Motoren mit folgenden Parametern: 60 kW Leistung, Baugröße 200, 2.130 U/min Nenndrehzahl, mit Frequenzumrichterbetrieb, geeignet für Dauerbetrieb S1.Unser Ziel bei der Auslegung ist es immer, die geforderte Drehzahl möglichst genau zu erreichen, indem wir Verluste gering halten und höhere Wirkungsgrade für eine höhere Motoreffizienz (IE2 oder IE3) anstreben. In der Regel legen wir den Motor etwas höher aus, damit er im Realbetrieb die geforderte Drehzahl gut erreichen kann. Durch die Verwendung von höherwertigem Blech für Stator- und Rotorpakete sind wir in der Lage, Verluste zu minimieren und den Wirkungsgrad zu steigern.
Um die verschiedenen Betriebsmodi zwischen Diesel- und Elektrobetrieb abbilden zu können, mussten die E-Motoren hohe Drehzahlen zulassen und über ein breites Drehzahlkennfeld die Nennleistung abrufen können. Bei diesem Projekt war die gut 2-fache Nenndrehzahl gefordert; das bedeutet, dass die Motoren mit bis zu 4.300 Umdrehungen im Generatorbetrieb laufen, aber schon bei 2.000 Umdrehungen die 60 kW zur Verfügung haben sollten, damit sie auch im rein elektrischen Fahrmodus mit ihrer vollen Leistung die 6 kn erreichten. Ein solches Kennfeld können wir für unsere Motoren gewährleisten.
Wasserkühlung für geringere Abwärme
Die Wasserkühlung des Motors ist ein weiteres Plus, das dem Wärmekonzept für den Maschinenraum entgegenkommt. Die gesamte Leistungselektronik, von den Batterien bis zum Frequenzumrichter, erzeugt bereits eine gewisse Abwärme. Wenn die E-Motoren wassergekühlt sind, fällt hier keine weitere Wärmequelle im Motorraum an. Entscheidender Vorteil eines wassergekühlten Motors ist zudem sein geringes Gewicht und seine kompakte Bauweise, wodurch er platzsparend eingebaut werden kann. Dabei verfügt er über die gleiche Leistung wie ein oberflächengekühlter Motor deutlich größerer Baugröße.
Seit Oktober 2022 verrichtet die Chicago inzwischen ihre Planierarbeiten – verlässlich und wartungsarm. Unsere elektrischen Hilfsantriebe sind robust und langlebig und als Asynchronmotoren auch ein Sicherheitsfaktor für das Hybridsystem. Auch wenn die E-Motoren nicht bestromt sind – also während des Betriebs im Diesel-Modus – laufen sie einfach mit, ohne Leistung abzugeben, und können so keinen Kurzschluss verursachen.